Zurück zur Norderstraße?

Warum die Von-Helms-Straße umbenannt werden sollte.

Die Norderstraße trug ihren Namen zu Recht. Hier lag der Schnee am längsten. Hier konnten Kinder noch Schlitten fahren, oder Gleitschuh laufen – eine Art Schlittschuh mit breiten Kufen –, wenn die meisten anderen Straßen schon wieder schneefrei waren. Vermutlich wurde damals in der Norderstraße auch nicht gestreut.

Der untere Teil der Straße erhielt 1973 den Namen Von-Helms-Straße, spontan und auf mündlichen Antrag eines Gemeindevertreters und mit knapper Mehrheit beschlossen. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Straße nahmen es hin wie das Wetter, das mal besser und mal schlechter ist. Die Namensgebung wurde nicht hinterfragt, bis neue Bewohnerinnen und Bewohner in die Straße zogen. Die fragten, was es eigentlich mit Johannes von Helms auf sich habe. Der müsse doch Nazi gewesen sein. Schließlich stehe unter dem Straßenschild „Bgm. von 1926 bis 1943“. In einer Straße mit Nazi-Bürgermeister-Namen zu wohnen, das würden sie ungern wollen.

Lausmann und die Reichspogromnacht

Zuweilen braucht es den Blick von außen, um den Balken vor den eigenen Augen wahrzunehmen. Wer mit der Geschichte der SPD vertraut ist, weiß: Auch Genossinnen und Genossen wurden im Nationalsozialismus verfolgt, mussten ins Exil fliehen, Tausende wurden inhaftiert, viele getötet, starben aufgrund unmenschlicher Haftbedingungen oder kehrten nach Kriegsende gezeichnet aus dem Konzentrationslager in die Freiheit zurück, wie der erste SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher. Die Alten in der Straße sagen: „Es gab schlimmere Nazis als von Helms.“ Schlimmere gab es in der Tat, viel Schlimmere. Beispielsweise den NSDAP-Ortsgruppenleiter Otto Lausmann, der am 9. November in der Reichspogromnacht die Anzündung eines jüdischen Wochenendhäuschens am Pastorendamm veranlasste, wie die Tornescher Historikerin Annette Schlapkohl herausgefunden hat.

Wochenendhaus angezündet

„Johannes von Helms war von 1926 bis 1943 Gemeindevorsteher von Tornesch, von 1937 bis 1943 auch Amtsvorsteher, d.h. er nahm auch polizeiliche Aufgaben während der NS-Zeit wahr“, so Frau Schlapkohl. 1937 trat er in die NSDAP ein, nachdem die 1933 verhängte Aufnahmesperre gelockert worden war. In seine Zuständigkeit fiel die Strafverfolgung von Zwangsarbeitern, von denen es in Tornesch mindestens 170 gab, und er soll (so die mündliche Überlieferung) dabei gewesen sein, als ein Zeuge Jehovas ins Gefängnis nach Altona überführt wurde. In seine Amtszeit fällt auch die Verfolgung von Anna Jacoby, die mit einem Juden verheiratet gewesen war. Ihr Wochenendhaus im Pastorendamm wurde von Tornescher Nationalsozialisten erst verwüstet, sein Inhalt gestohlen, das Haus dann mit Teer beschmiert und angezündet. Auch das geschah in der Amtszeit von Johannes von Helms.

Umbenennung oder nicht?

Für Sozialdemokraten ist die Sache klar: Die Straße muss umbenannt werden. CDU und FDP hingegen wollen den Straßennamen erhalten. Auch ein Teil der Anwohnerinnen und Anwohner hat sich gegen eine Umbenennung ausgesprochen. In der Tat: Ein bisschen nervig ist eine neue Adresse: Banken, Versicherungen, Visitenkarten, Telefonunternehmen etc., müssen benachrichtigt werden. Das ist wie bei einem Umzug. Wer schon einmal umgezogen ist, weiß: Das ist zu schaffen.

Sinn und Unsinn einer Plakette

CDU und FDP haben vorgeschlagen, auf einer Plakette zu erklären, wer Johannes von Helms war und diese Plakette zum Straßenschild hinzuzufügen – damit die unwürdige Vergangenheit nicht in Vergessenheit gerät. Auf den ersten Blick scheint das ein bestechendes Argument zu sein. Aber Hand aufs Herz: Wer möchte in einer Straße wohnen, in der eine Plakette lang und breit erklärt, wes Geistes Kind ihr Namensgeber war? Ich finde, Tornesch sollte sich ehrlich machen: Ein Straßenname ist eine Ehre. Es gilt: Ehre wem Ehre gebührt. Die Umbenennung wäre einfach. Tornesch kehrt zur Norderstraße zurück. Die Hausnummern bleiben. Sie wurden bei der Umbenennung nämlich nicht verändert.